Der Zeitwandler Seite 4
Der Zeitwandler

© Dark Wulf

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Schnaubend brachte er sein Pferd zum stehen und stieg ab. Sein stählerner Handschuh berührte leicht die Mähne des gut trainierten Tieres und Begleiters. >> Brav mein Alter. << Wiehernd scharrte es mit dem rechten Vorderlauf und begann dann das Gras am Wegesrand zu fressen. Trotz seines Alters war es noch immer sehr robust und hatte schon manche Tjoste überstanden.

Auch in diesem Jahr würde er wieder teilnehmen und es den anderen zeigen. Aber was verstanden schon die Menschen von einem Konkurrenzkampf unter Pferden ? Schließlich waren es die Pferde, die ihren Reitern letztendlich den ruhmreichen Sieg erbrachten und nicht umgekehrt. Aber sein Herr war immer anständig zu ihm gewesen und so hatte er sich dazu entschlossen sein bestes zu geben, auch wenn jeder Zweikampf zu Pferde ein großes Risiko darstellte.

Sumelian nahm den Schweren Visierhelm ab und sog begierig die frische Luft ein. Die Umgebung bot es geradezu an eine kurze Rast einzulegen und die herrlichen Auen des Mains zu bewundern. Es war ein großer Fluss, der ihm vertraut war und den er schon so oft manchen Nachmittages entlang geritten war. In den Sommermonaten tummelten sich hier lästige Stechmücken, von denen er sich allerdings die gute Stimmung nie hatte vermiesen lassen.

Manchmal wünschte er sich dann aber, das diese stabilen und ungeheuer robusten Rüstungen, nur nicht so schwer wären. Auch musste man einige Zeit auf eine sorgfältige Pflege dieser verwenden, wenn man nicht wollte, das sie binnen weniger Jahre als verrosteter Abfall endeten. Letztens hatte er erst wieder eine tiefe Delle ausbeulen lassen müssen, die im Brustbereich gelegen hatte. Der Schmied hatte fast zwei Wochen dafür benötigt und hatte von ihm eine stattliche Summe als Gegenleistung erhalten.

Jetzt war es soweit sein neues Schwert aus Frankfurt zu holen, das er dort vor einiger Zeit in Auftrag gegeben hatte. Sein altes war inzwischen schartig geworden und die Klinge vom vielen Schärfen total abgenutzt. Er war froh, das zumindest sein Rundschild noch in gutem Zustand war, welches er in der Sonne gerade pflegte. In der Ferne erspähte er beiläufig eine kleine Mühle, die sich an einem kleinen Bach befand. Neugierig beobachtete er sie noch eine Weile und nahm dann sein Pferd an den Zügeln.

Er wollte es ein wenig von dem langen Ritt entlasten und ging daher zu Fuss weiter den Weg entlang, über eine kleine Brücke, die schon deutliche Verwitterungsspuren trug. Bei dem Holz mochte es sich um Eiche oder Buche handeln. Ein Wispern ließ ihn aufhorchen. In dessen Richtung lag nur ein kleines Waldstück, das ein wenig verrträumt da lag. Er zog das Kurzschwert schabend aus der schwarzen, ledernen Scheide und machte sich bereit auf Wegelagerer zu treffen. Kurze Zeit später wurde er jedoch enttäuscht.

Es waren nur eine junge Frau und ein kleiner Junge, die ihn Misstrauisch beäugten. >> Bitte haltet ein ! << rief die Unbekannte ihm entgegen. Der Junge trat ein wenig hinter sie. >> Keine Sorge meine Klinge ist nur für die bestimmt, die es verdient haben. << antwortete Sumelian mit kraftvoller Stimme, während er sich ihnen weiter näherte.

Dann riss sich der Junge von der Frau los und rannte in das Waldstück. Es war früher Morgen und noch immer bedeckten dichte Wolken den Himmel. Die Sonne verschwand wieder dahinter. >> Bleib doch hier, es gibt keinen Grund wegzulaufen ! << brüllte der Ritter hinterher. >> Er hat Angst und ist verwirrt. << meinte die Frau nervös. << >> Dann sollten wir ihn zurückholen ! << erwiderte Sumelian entschlossen.

>> Euer Wort in Gottes Ohr, aber das wird ein wenig schwierig werden. << >> Er ist vergangene Nacht schon mal ausgebüxt und mein Onkel hat ihn in halb Franfurt gesucht. << >> Durch Zufall fand ich ihn hier ganz in der Nähe und musste den armen aus einem Loch ziehen.<< >> Ihr traut euch aber was. << gab Sumelian zurück. >> Mitten in der Nacht allein hier herum zu laufen ohne Schutz und ohne Waffe.<< >> Ich kann sehr wohl auf mich aufpassen Herr Ritter. << antwortete Karina empört und stemmte dabei ihre Hände in die Hüften.

>> Wie euch nicht engangen sein dürfte trage ich einen Dolch bei mir und ich weiss als Tochter eines Metzgers sehr wohl, wie man ihn benutzt.<< >> Es tut mir leid. Ich werde euch bei der Suche helfen und mir die Geschichte anhören, so fern ihr sie mir mitteilen wollt. << So erzählte sie dem Edlen eine unglaubliche Geschichte, die auch ihr beider Leben grundlegend verändern würde.

Sie waren nach einiger Zeit wieder an den Frankfurtert Stadttoren angekommen und der Blick des Ritters fiel in eine Nische, die sich seitlich des großen Stadttores befand. In dieser war, zum Schutz vor Wind und Wetter eine Anschlagwand angebracht, an der mehrere teils vergilbte Flugblätter im jetzt auffrischenden Wind flatterten.

Ein Flugblatt fiel dem Ritter besonders ins Auge. Auf diesem war ein schlecht gezeichnetes Abbild eines älteren Mannes, dessen Gesicht von mehreren Narben gezeichnet worden war. Er wurde als Verbrecher beschrieben, der etwa 7 Personen auf dem Gewissen haben sollte und zudem bekannt dafür war, das er seinen Opfern kleine, vorgefertigte Grabsteine hinterließ, die mit merkwürdigen Runenbildern graviert worden waren. Eine hohe Summe wurde dem zugesprochen der ihn zu fassen bekam.

Dieses Blatt war der Datierung nach schon mindestens 20 Jahre alt. Dann kam plötzlich Sumelian ein längst vergessenes Gespräch in den Sinn. Hatte nicht damals dieser in dicke Felle gekleidete ihm von Gruppen berichtet, die im hohen Norden lebten ? Es war ebenso vor etwa 20 Jahren geschehen, als er im Norden Deutschlands unterwegs war um dort ein seltenenes Normannenschild zu erwerben, das er jedoch nur zu Turnierkämpfen stolz bei sich trug. Damals war es bitterkalt gewesen und er war halb erfroren an einer kleinen Siedlung angekommen, die sich geschützt zwischen ein paar Hügeln befunden hatte.

Die Bewohner dieses Dörfchens waren alles andere als gesprächig gewesen. Jedoch hatten sie ihm immerhin eine warme Mahlzeit zukommen lassen und ihn in einer der Holzhütten eine Übernachtungsmöglichkeit geboten. Er war heilfroh darüber gewesen, als er Tags darauf seinen Weg weiter verfolgen konnte und sein Zielort nur wenige Stunden entfernt gewesen war. Sei treuer Begleiter war sein starker Schnaps gewesen, der ihn munter gehalten hatte.

Sein Pferd hatte diese Reise ebenfalls gut überstanden und er hatte sich kürzlich eine dickere Pferdedecke zugelegt, die auf rotem Grund einen goldenen Löwen trug. Diese hatte er seinem schwarzem Rappen auch heute umgelegt, um ihn vor dem stechend kaltem Wind zu schützen. Inzwischen unterhielt sich Sumelian mit Karina über die örtlichen Gegebenheiten und darüber, wo man denn am besten nächtigen könne. Karina verwies ihn auf ein Gasthaus, das sich unweit ihrer Position, zwischen ein paar Fachwerkhäusern befand.

Unweit von ihnen stand um eine Hausecke spähend eine Gestalt, die in eine Kutte gehüllt jeden Schritt der drei eben Angekommenen verfolgte. Normalerweise war er lieber Nachts unterwegs, wo ihm diese Stadt noch mehr Deckungsmöglichkeiten bot, aber in diesem Moment musste er dringlich erfahren, in welcher Begleitung sich der Junge befand. Diese Information war für seine weiteren Pläne von enormer Wichtigkeit und er konnte sich so ein genaueres Bild der Lage verschaffen.

Befriedigt verließ er kurz darauf seinen Standort und lugte unter seiner Kapuze hervor, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Die Hellebadiere hatten seine Aufmerksamkeit erregt. Diese entfernten sich aber von ihm und er lief jetzt in eine enge Seitengasse, die im hinteren Teil auch am helllichtem Tage dunkel war. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, was sich dort befand. Nur er wusste davon und er hoffte, dass es noch lange Zeit so bleiben würde.

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